Wie du deine Angst vorm Reisen akzeptierst und lernst mit Ihr umzugehen
Im November 2017 habe ich meine erste große Reise gemacht: einen gemeinsamen Roadtrip mit meinem damaligen Freund durch Frankreich, Spanien & Portugal. Wir sind auf unbestimmte Zeit in unserem kleinen aber sehr geliebten Bulli losgefahren, und hätten nie gedacht, dass wir erst nach 8 Monaten wieder in Deutschland sind.
Seitdem zähle ich mich zur Gattung der mutigen Angsthasen. Ich bin mit schlotternden Knien und der festen Erwartungen in 2 Monaten vollkommen abgebrannt wieder in Deutschland zu sein, in den Bulli gestiegen, habe eine Stunde vor Freude, Erleichterung aber auch Angst geweint, und es dabei geschafft, mit meiner Angst vor dieser Reise umzugehen, ohne das Gefühl zu haben, dass sie mich an etwas hindert oder mir das Leben schwer macht. Ich habe einfach akzeptiert, dass sie da ist, ich aber dadurch, dass ich gerade in diesem Bulli sitze und Richtung Süden fahre, nicht von ihr kontrolliert werde.
Ich möchte dir in diesem Artikel mitgeben, wie ich es immer wieder schaffe, mit meiner Reiseangst zu reisen. Wie du diesem kleinem Drücken im Brustbereich und der Nervosität in deinen Fingerspitzen die Berechtigung gibst da zu sein, sie aber nicht dein Leben, deine Träume und vor allem nicht deinen Aufenthaltsort bestimmen lässt.
Was ist Angst?
Ich denke, dass jeder Mensch fast täglich Angst hat. Dabei spreche ich von diesem kleinen wachsenden Panikgefühl, dass einen dazu bringt, Dinge lieber doch nicht zu tun, weil es ein kleines Risiko darstellt, und nicht von Angst um das eigene Leben oder Panikattacken. Und obwohl es eigentlich um Ängste geht, die logisch betrachtet gar nicht so gewaltig sind, wie wir Sie manchmal aufbauschen, sind es Ängste, die uns unser Leben verbauen können.
Für mich ist Angst eine nervöse Unruhe, ein Drücken in meiner Brust und ein Kribbeln in den Fingerspitzen, das mich einfach nicht loslässt. Aber an sich ist Angst einfach nur eine Emotion wie Wut, Liebe, Trauer und Vertrauen. Wieso sollte sie also der alleinige Entscheidungsträger sein, wo es doch so viele andere Emotionen gibt, die nicht ignoriert werden wollen? Du ganz allein hast die Macht dieses Gefühl der Angst zuzulassen, es zu bewerten und dann mit all deinen Emotionen wie Liebe, Vertrauen und Mut zu entscheiden, was du in dieser Situation der Angst machst. Angst ist nur eine Emotion von vielen, es ist doch ziemlich unlogisch, nur sie über deine Reisepläne entscheiden zu lassen oder?


Wozu ist Angst gut?
Wir als Gesellschaft haben momentan einen unglaublichen Perfektionsdrang, wodurch wir dazu neigen, Angst als etwas anzusehen, das wir bekämpfen und ausmerzen müssen. Angst zu haben ist etwas Schlechtes, also ist es ganz logisch, dass wir immer gegen die Angst ankämpfen und ringen müssen, um dann möglichst als furchtlose Sieger hervor zu gehen. Aber wozu ist Angst eigentlich gut?
Sollten wir nicht dankbar dafür sein ein Gefühl zu haben, das uns Bescheid sagt das jetzt genau der richtige Zeitpunkt ist, um zu verschwinden, wenn ein Löwe vor dir steht? Oder, dass es keine gute Idee ist, die halb zerfallene morsche Holzbrücke zu betreten? Angst ist eine Emotion, die uns schützen soll und uns in bestimmten Situationen das Leben retten kann. Deswegen denke ich, dass der aller erste Schritt im Umgang mit deiner Reiseangst sein sollte, sie als eine berechtigte Emotion anzuerkennen, die du nicht bekämpfen musst. Solange deine Reiseangst einfach nur da ist, du ihr Raum zum Sein gibst, sie aber nicht allein deine Entscheidungen bestimmt, ist es vollkommen in Ordnung, normal und sogar in bestimmten Situationen wichtig, dass sie da ist.
Wovor habe ich Angst? Definiere deine Ängste
Die Angst vorm Reisen kann viele verschiedene Ängste beinhalten. Ich habe Angst, dass ich Dinge vergesse, dass ich meinen Flug verpasse, mir mein Handy gestohlen wird und plötzlich stehe ich ganz alleine im Nirgendwo. Ich habe Angst davor in kulturelle Fettnäpfchen zu treten, und Leute durch Unwissenheit zu beleidigen. Ich habe Angst, dass mein Gepäck verloren geht, dass ich mich in einem Flugzeug verletze und ich habe Angst davor, Leute nach dem Weg zu fragen. Ich habe Angst Reisen in Länder anzutreten, in denen ich noch nie war und ich habe Angst vor Reisen in Ländern, in denen ich schon war. Das könnte ich jetzt stundenlang so weiter machen, aber wovor hast du beim Reisen Angst?
Vor dem Roadtrip hatte ich das Gefühl eine riesige Wolke voller Ängste schwebt über mir, weswegen ich besser gar nicht erst hingucke, um keinen Regen abzubekommen. Als ich dann später verstanden habe, dass es in Ordnung ist, diese Ängste zu haben, ganz egal wie klein und dämlich sie sich für andere Leute anhören mögen, konnte ich meine große Gewitterwolke der Reiseangst in ganz viele kleine Tropfen aufteilen, und mir jeden einzeln angucken.
Damit du mit deinen Reiseängste umgehen kannst, musst du erst mal für dich definieren, wovor du überhaupt Angst hast. Wie sollen wir mit Ängsten umgehen können, die wir nicht kennen?
Mach einfach mal ein kleines Brainstorming und schreib alle deine Ängste auf, die dich momentan vom Reisen abhalten, ganz egal wie klein oder groß sie auch sein mögen. Wenn du nach dem Aufschreiben deiner Ängste das Gefühl hast, der aller größte Angsthase dieser Welt zu sein, mach eine gegenteilige Liste mit Dingen auf Reisen, vor denen du keine Angst hast. Das sind bei mir z.B. Umweltkatastrophen, Flugzeugabstürze oder fremdartiges Essen. Mach eine Liste mit Dingen, auf die du dich unglaublich freust.
Es hilft auch Freunde zu fragen, wovor sie auf Reisen Angst haben, um zu merken, dass jeder unterschiedliche Ängste hat und deine Freunde Angst vor etwas haben, wozu du, der angeblich aller größte Angsthase dieser Welt, nur die Schultern zucken kannst.

Akzeptiere deine Angst aber lass sie nicht ans Steuer
Zu wissen wovor du beim Reisen eigentlich Angst hast, ist ein großer Schritt. Denn jetzt bist du mit deinen Ängsten vertraut, kannst sie wie alte Freunde begrüßen, und sie dir einzeln angucken. Aber der aller größte Schritt ist es, deinen Reiseängsten Raum zu geben. Und wie das geht, möchte ich dir gerne mit der Methode von Elizabeth Gilbert nahelegen.
Elizabeth Gilbert ist die Autorin von „Eat Pray Love“ einem Bestseller, den wohl so gut wie jeder Reisende gelesen hat, aber sie hat auch ein Buch geschrieben, das mich noch viel mehr fasziniert hat „Big Magic – Nimm dein Leben in die Hand und es wird dir gelingen“. In diesem Buch geht es um die kleinen kreativen Juwelen, die in jedem von uns stecken und wie wir es schaffen, diese Kreativität aus uns herauszuholen und mit ihr zusammenzuarbeiten. In den ersten Kapiteln schreibt sie viel über Angst, und das es nicht darum geht, unsere Ängste zu bekämpfen, bis wir am Ende keine mehr haben, sondern mit unserer Angst im Schlepptau wundervolle Dinge tun zu können.
Sie erklärt mittels eines Prinzips, indem du alle deine Emotionen in ein Auto stopfst, wie du deiner Angst begegnen kannst. Diese Methode lässt sich ganz wundervoll auf die Reiseangst anwenden. Ich möchte dir gerne an einem Beispiel erklären, wie ich ihre Technik anwende, wenn ich merke, dass mich eine meiner Ängste zu überwältigen droht.
Angenommen ich habe meinen Koffer gepackt, ich habe drei Mal kontrolliert, ob alles auf der Packliste abgehakt ist, ich habe zwei Mal den Koffer wieder aufgemacht, um wirklich ganz sicher zu sein, dass alles drin ist und obwohl erst mal alles gut zu sein scheint, spüre ich dieses drückende Gefühl in meiner Brust. Ich werde unruhig, meine Fingerspitzen kribbeln und ich spüre, wie die Angst in mir schreiend im Kreis rennt und brüllt: “Wir werden alle sterben, weil du deine Zahnbürste vergessen hast“
In solchen Momenten der puren Panik setze ich mich hin und stelle mir vor, wie meine Angst vor mir auf einem Stuhl sitzt, und sage ihr folgendes:
Liebe Angst, ich, mein Mut, meine Kreativität, meine Liebe und mein Vertrauen, werden zu einer Reise aufbrechen. Ich weiß, dass du uns begleiten wirst, weil du dies immer tust, und ich möchte dich herzlich dazu einladen diese Reise mit uns zu machen. Wir haben ein Auto, indem wir gemeinsam losfahren können und du hast einen wundervollen Platz ganz hinten auf der Rückbank. Ich, mein Mut, meine Kreativität, meine Liebe und mein Vertrauen werden unser Bestes geben, um diese Reise zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen, und wie ich schon von anderen Begegnungen mit dir weiß, ist es dein Job auf der Rückbank zu sitzen und bei jeder Weggabelung „Wir werden alle sterben“ zu schreien. Du machst also deinen Job, worin du übrigens herausragend gut bist, und ich werde meinen Job machen. Wir werden diese Reise zusammen verwirklichen. Du darfst auf dem Rücksitz sitzen und schreien, das ist genau das, wofür du da bist, aber du wirst nicht fahren. Du wirst keine Landkarte zu Gesicht bekommen und Entscheidungen darüber fällen, in welche Richtung wir wollen, du darfst weder unsere Snacks aussuchen noch das Radio anfassen. Aber vor allem: Hände weg vom Steuer. Du hast keinerlei Einfluss darauf wo wir hinfahren, aber du darfst hier bei mir im Auto sitzen.
Diese Methode von Elizabeth Gilbert, alle meine Emotionen in ein Auto zu stopfen, und sie willkommen zu heißen, ist für mich bisher der beste Weg vernünftig mit meinen Reiseängsten umzugehen. Ich gebe ihnen Raum zum Atmen und sie dürfen mich gerne begleiten, aber sie werden nicht das Steuer übernehmen.
Was ist das Schlimmste was dir passieren kann?
Auch wenn du mit deiner Reiseangst ausgemacht hast, dass sie dich gerne begleiten darf, dir aber nicht in deine Entscheidungen pfuscht, ist sie manchmal stärker als sie sollte. Wenn die Angst ganz langsam die Fingerspitzen nach meinem Steuer streckt, stelle ich mir folgende Frage: Was ist das Schlimmste was mir passieren kann?
Beispiel: Koffer packen. Ich sitze im Flugzeug mit dem Gefühl im Bauch, ganz sicher etwas vergessen zu haben, und plötzlich fällt es mir ein: meine Zahnbürste. Meine Angst sagt mir „Aha gut dass wir uns zwei Tage lang total verrückt gemacht haben. Ich hatte recht, die Welt geht unter. Du hast deine Zahnbürste vergessen.“ Wenn du dir aber in dem Moment die Frage stellst, „Was ist denn jetzt das Schlimmste, was mir passieren kann?“, und es schaffst, dein rationales Denken einzuschalten, bevor du in Panik gerätst, wirst du ziemlich schnell merken, dass das Schlimmste was dir passieren kann ist, ohne Zahnbürste an deinem Reiseziel zu stehen. Und dein Gehirn wird dir jetzt die allerbeste Botschaft überhaupt verkünden: Zahnbürsten kann man wirklich überall kaufen. Wenn du diesen Gedanken erst mal hattest, wird deine Angst ziemlich schnell aufhören schreiend im Kreis zu rennen.
Diese Methode kannst du auch sehr gut vor deiner Reise anwenden. Deine Angst sagt dir vor deinem ersten Solo Trip nach Lissabon z.B. Folgendes: Du wirst wochenlang allein sein, keine Freunde finden, weil du sowieso total blöd bist, und wahrscheinlich wird dir, sobald du landest, dein gesamtes Geld geklaut. Was ist das Schlimmste, was passieren kann? Du bist wirklich mal eine Woche ganz für dich, genießt die Zeit, in der nur du bestimmst wo es hingeht und wenn dir wirklich dein ganzes Geld geklaut wird, darfst du dich einmal richtig über die hohen Abhebegebühren im Ausland ärgern, aber selbst dann geht das Leben weiter. Natürlich ist das was dir die Drama Queen namens Angst erzählt, vollkommen unrealistisch und tief in deinem Inneren weißt du das auch. Aber mir hilft es immer sehr mir vorzustellen, was im schlimmsten Fall passieren könnte, und ob das wirklich so schrecklich ist, dass man damit nicht leben kann.
Ich kann dir nur empfehlen, dir Ängste logisch weg zu argumentieren. Es gibt ja auch Reiseängste wie z.B. die Angst vor einem Terroranschlag, wo das Schlimmste, was dir passieren könnte, nämlich tot zu sein, nicht unbedingt etwas ist womit du gut klar kommen würdest. Trotzdem ist es so unwahrscheinlich Opfer eines Terroranschlags zu werden, dass du dich fragen solltest, ob du wirklich dein Leben damit verbringen willst, davor Angst zu haben und so viele wunderschöne Dinge in dieser Welt zu verpassen.
Und ist die Angst, die du vor etwas hast, manchmal nicht viel schlimmer, als die schlimmste Situation die du dir vorstellen kannst? Ist es nicht viel kräftezehrender sich tagelang Sorgen zu machen, als einen Moment zu haben, der vielleicht doof ist, sich aber mit ein bisschen Köpfchen gut lösen lässt? Und aus dem du vor allem mit der Gewissheit herausgehst, dass du in der Lage bist, Probleme zu händeln?


So gehe ich momentan mit meiner Reiseangst um, die zwar immer kleiner wird, je mehr ich reise, mich aber nie ganz verlässt, und das ist auch gut so. Vergiss nie, dass es ein Prozess ist, mit der eigenen Reiseangst umgehen zu können. Dir werden bei jeder Reise ein wenig die Knie schlottern. Das ist normal, weil sich um dich herum alles verändert. Aber was wäre das Leben ohne Veränderung?
Ich freue mich sehr, wenn du für dich etwas aus diesem Artikel mitnehmen konntest, und mich würde brennende interessieren, wie du mit deinen Reiseängsten vor oder auf einer Reise umgehst.
Du fühlst dich ein bisschen mehr wie ein mutiger Angsthase und traust dich immer mehr ans Reisethema heran? Dann schau doch mal bei meinem Community Hashtag #mutigeangsthasen auf Instagram vorbei. Poste gerne ein Foto von deiner Reiseangst und erzähle, wie du mit ihr umgehst oder lass dich einfach nur inspirieren. Ich freue mich auf dich!
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Ulrike
OMG! Ich bin soo froh, dass meine Eltern mit mir schon früh gereist sind. Angst vor dem Reisen als solchem, kenne ich nicht. Und wenn ich das so lese: Wenn man solche Angst vorm Reisen hat, warum bleibt man nicht Zuhause? Das ist doch auch wunderschön!
Viel Spass noch auf Deinen Reisen!
LG
Ulrike